und sonst

GERADE GELESEN

Mon Dieu, ein Buch voller steiler Thesen, die mir den Atem stocken ließen.

Aus Sicht der Biologin schaut Stoverock auf den Werdegang der Hertero-Paarbeziehungen, ausgehend vom vorzeitlichen Leben der Urmenschen in Horden. Sie seziert die macht- und gesellschaftspolitisch motivierten paternalen Eingriffe in diese von der Natur vorgegebenen Gefüge und stellt sehr überzeugend dar, wie im Interesse der Männer auf Kosten der Frauen die Welt seither in eine anhaltende, tief verankerte Schieflage in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit geraten ist. Die Kirche hat, wen wundert’s, dazu einen erheblichen Beitrag geleistet. Ja, nun sehe ich es auch an jeder Ecke, dieses Buch ist eine Offenbarung im besten Sinne des Wortes.

Doch mit dieser Bestandsaufnahme ist Stoverock noch nicht am Ende. Einen beunruhigenden Blick in die Zukunft mutet sie uns zu: durch die wenn auch langsam fortschreitende Emanzipation der Frauen und insbesondere ihre zunehmende wirtschaftliche Autarkie schwindet die Verfügungsmacht der Männer. Gehört haben wir schon von den Incels, unfreiwillig zölibatär lebenden Männer, die keine abbekommen und ihren Hass auf das weibliche Geschlecht in Internetforen kultivieren und gelegentlich auch im richtigen Leben zuschlagen. Diese schnell anwachsende Gruppe wird von Stoverock als zunehmend gefährliche und die Gesellschaft destabilisierende Macht gesehen, auf die ein Augenmerk zu richten sei. Welche Lösungen schlägt sie vor? Nun ja, hier zeigt sich das Dilemma. Wenn die eine Gruppe profitiert, muss die andere abgeben – eine win-win Situation ist hier wohl nicht in Sicht.

Stoverding schlägt die Legalisierung und gesellschaftliche Akzeptanz von Prostitution als einen Ausweg aus der männlichen Notlage vor. Aus Sicht der Frauen vielleicht doch ein eher zweifelhafter Weg – hier hat die Suche nach überzeugenden Vorschlägen noch viel Luft nach oben.

Ein kleinformatiges Buch, ein lakonischer Titel. Die überwältigende Poesie dieses dichten Romans entsteht besonders in den Zwischenräumen der sorgfältig formulierten und unaufgeregt daherkommenden Sätzen. Ganz leicht folgt man ihnen hinein in diese dörfliche Familiengeschichte der 50 er Jahre in Österreich und gerät in den Sog der dramatischen Ereignisse und deren Protagonisten. So schön und tragisch, bezaubernd und fesselnd,  unaufdringlich und ermutigend habe ich schon lange kein Buch mehr empfunden. 

Einzig: die zu klein abgebildeten und im Schwarz-Weiß des Ducks versackten Illustrationen von Heinz Egger  können sich hier nicht entfaltet und wären besser zu Hause geblieben. 

Ein seltsam altmodisch anmutender Roman, den man eher in die 80 er Jahre des letzten Jahrhunderts verorten würde als in das Heute, ist man von Eva Menasse doch moderneres Schreiben gewohnt, siehe Quasikristalle.

In Dunkelblum geht es um österreichische Dorfgeheimnisse aus der NS-Zeit, Judenverfolgung, Zwangsarbeit, Exekutionen, die Verstrickung der Bewohner:innen und Versuche der Aufdeckung, Aufklärung und Aufarbeitung in der Jetztzeit. Die Figuren bleiben etwas unscharf und eher klischeehaft. Was mich wirklich stört sind die wertenden Beschreibungen durch die Autorin, die gelegentlich schon an Denunziation heranreichen. Es gibt wenig Versuche, das Werden dieser Menschen aufzudröseln und sie in ihrer Ambivalenz dem Leser/der Leser:in nahe zu bringen. Am Schluss ist Schuss, aber so richtig gelöst hat sich nichts, die Geheimnisse, deren Andeutungen einen am Benzel gehalten haben, kommen nicht ans Licht und überhaupt gibt es keine so richtigen Erkenntnisse. Irritierend, wofür die Autorin natürlich nichts kann, ist die Aktualität des Antisemitismusthemas durch die jüngsten Geschehnisse in Israel und die Reaktionen hierzulande, die mich trotz aller Tendenzen überrascht haben und eine schockierende Verankerung des Judenhasses in unserer heutigen Gesellschaft zeigen. Beim Verstehensversuch dieses Phänomens hilft mir das Buch allerdings auch nicht weiter…

Gnadenlos analytisch und zugleich hochpoetisch macht Ines Geipel uns den Magen rein von etwaigen Ostalgie-Reminiszensen. 1960 geboren als Tochter eines in geheimer Stasi-Mission marodierenden Vaters, dessen Prügel die Brutalität und Menschenverachtung des Systems an die eigenen Kindern expediert, nimmt sie die Krankheit und den Tod des jüngeren Bruders in der Nachwendezeit als Ausgangspunkt einer gesellschaftlichen Autopsie. Von familiären Verstrickungen in Naziverbrechen über die Entlarvung des von der kommunistischen Partei kreierten Buchenwald-Mythos hin zum Schweigegelübde einer ganzen Nation, drückt sie die Faust in mangels Vergangenheitsbewältigung nicht heilende Wunden und offenbart plausibel und gut belegt, was im halben – oder ganzen – Land im Argen liegt.

Vorweg: ein optisch und haptisch sehr ansprechendes  Buch. Inhaltlich im Wesentlich getragen von einer Idee, die genau genommen ein Szenario der utopischen Gegenwart beschreibt: Eine (Kampf?) Lesbe gründet so etwas wie einen Orden, der sich zur Aufgabe macht, die Atommüllager dieser Erde und dazu auch noch so einiges an immateriellem Kulturgut auf lange Sicht zu hüten und zu wahren – gegen das Vergessen und die Ignoranz der Gesellschaft. Ja, o.k., eine nicht unspannende Idee. Doch leider nicht ganz schlüssig: wieso sollte das Wissen um die Brisanz des strahlenden Erbes verloren gehen? Abgesehen von dem genannten Setting passiert nicht wirklich was – keine Entwicklung, weder der Figuren, die seltsam sachlich bleiben, noch der leicht variierten Situationen. 

GERADE BESUCHT

„Seltene Erden“ lautet der Titel der Ausstellung von Tom Sachs in den Deichtorhallen Hamburg. Mit großer Intensität und in gewaltiger räumlicher Dimension hat Sachs hier sein Nasa-Parallel-Universum materialisiert. Ein umgebauten Camper, Arbeitsstationen mit ausgetüftelter Werkzeugordnung, Rampen, Monitoren,  Kontrollstaionen, Nasa-Sprech,  Indoktrinierungsstellen, Raketenabschußbasis bilden einen ausufernden Kosmos, der den Betrachter, die Betrachterin fasziniert, zweifelnd, staunend,  mit gewecktem Spieltrieb und überraschten Auflachern durch den Raum driften läßt. Mit abstrusem technischem Perfektionismus und einem komplexen praktisch-philosophisch-poetisch  

anmutendem Regelwerk präsentiert Sachs das Rüstzeug für ein gelingendes (künstlerisches) ArbeitsLeben.

Das menschliche Treiben auf diesem blauen Planeten in Wissenschaft, Forschung und Expedition und eigentlich in allen Bereichen wird hier in seiner ganzen Größe, seinem Wagemut, seiner Menschlichkeit  und Unzulänglichkeit offenbar. Wo ist der Sinn? Schon sind wir wieder bei der Kernfrage, die zu stellen wohl schon als Ziel zum Weg gelten kann. Das alles ist anrührend, tröstlich, witzig, dramatisch und absurd.

Und plötzlich ist sie da, die Erkenntnis:  es gibt nur eine „Seltene Erde“!

Tom Sachs Space Programm: Rare Earths bis 10. April 22 Deichtorhallen Hamburg

Die STRICKTATORENPARADE

Hier ein Vorschlag zur Herstellung nützlicher Nadelkissens zum selbst Benutzen oder Verschenken: die STRICKTATOREN-Reihe  läßt sich beliebig ergänzen. Please Enter your Pin!

Und so geht’s: je nach Wolldicke und gewünschter Größe 30 – 40 Maschen auf ein Nadelspiel verteilen. In wechselnden Farben bis in die gewünschte Höhe glatt rechts stricken. Am Ende des Kopfes gleichmäßig Maschen abnehmen (am Anfang und in der Mitte jeder Nadel jeweils zwei Maschen zusammen stricken. Mit geeignetem Füllmaterial ausstopfen, unten zunähen. Arme und Beine absteppen, Hals durch durchgezogenen Faden verengen. Dann nach Belieben ausstatten mit Gesicht, Haaren und anderen Details. Wer möchte, kann noch einen gehäkelten Aufhänger anbringen. Zu guter Letzt: ab in den Gebrauch – hier sind Eure Nadeln gut aufgehoben!

OLDSCHOOL-SOCKEN-STRICKEN

Stricken beruhigt und ist darüber hinaus auch noch nützlich. Die Hände haben was zu tun, der Geist kann schweifen oder sich kontemplativ versenken. Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn mehr Menschen ihre überschüssige Energie oder Langeweile in Sockenstricken investierten! Und die fertigen Teile werden gerne genommen – meine Erfahrung. Ich empfehle wunderbar vorgemusterte Socken-Wolle in gelegentlich abenteuerlichen Farbkombis, die einen beim Stricken überraschen. Die JoJo-Ferse ist – wenn erstmal begriffen – eine gute Wahl, um die Kurve am Fuß zu kriegen. Anleitungen in allen medialen Formen finden sich im Netz – oder klassische gedruckt im Wollgeschäft Eures Vertrauens.

Socken

Und dann wären da noch die PERLENSTAUCHER

Perlenstaucher sind Pulswärmer, die aus der Trachtenmode kommen. Das Prinzip ist einfach und doch raffiniert: sehr kleine Perlen werden – bei mehrfarbigen Mustern in genau festgelegter Reihenfolge – auf die dünne Wolle gefädelt und dann entsprechend abgestrickt. Für Anfänger sind einfarbige Muster zu empfehlen. Konsequentes Zählen und genaues Hinschauen bilden hier die Basis des Erfolgs… 

Die Ergebnisse sind sehr ansprechend, aber auch nützlich. Ich trage sie hier eigentlich immer in der kalten Zeit. Von den oben gezeigten Beispielen habe ich das erste und dritte Paar selbst gestrickt, das mittlere stammt aus Lettland, das untere bekam ich von meiner Freundin Ulla Herz geschenkt, die mir dieses komplexe Muster (zu Recht) nicht zugetraut hat. Danke nochmal, ein echter Freundschaftsbeweis!!!